Psalm 126

 

 

Als der Herr die Gefangenen Zions zurückführte, waren wir wie Träumende”.

 

Wir haben hier ein Stufenlied vor uns, von dem wir nicht wissen, wer es geschrieben hat.

Inhaltlich weist dieser Psalm hin auf die nachexilische Zeit Israels, denn es handelt sich hier um die Heimkehr aus der Gefangenschaft Babels. Der Herr hatte an Israel 70 Jahre Gericht geübt.  Israel war auch zuvor schon in einem Gericht gewesen. Es war die vierzig Jahre dauernde Wüstenwanderung. Aus der Wüste kommend, zogen sie in ein neues Land ein. Als sie aber von Babel  nach Jerusalem zurückkehrten, da kamen sie in ihre Heimat, in ihr Zuhause. Dieses einst gesegnete Land Kanaan sollte ruhen und seine Sabbathe genießen. So sagt es Gottes Wort in 3.Mose 26 Vers 34. Das Land und das Vieh hatten Ruhe für 70 Jahre. Auch das Volk Israel sollte damals in Babel zur Ruhe gebracht werden.

Dort in Babel, in der Fremde, unter den Feinden, da hatten sie kein Tempelopfer. Dort hatten sie 70 Jahre lang keine Vergebung. Da war eine riesige Not in ihrem Inneren. Durch diese Not sollten sie an das Herz Gottes zurückgebracht werden. Auch heute lässt Gott so manche Not zu mit der Absicht, uns an sein Herz zurückzuführen. Dort in Babel waren sie fern ab von den Segnungen Gottes, die der Herr in Jerusalem festgelegt hatte. Sie waren nicht mehr in ihrer Heimat. Als der treue Herr die Weisung zur Rückkehr Israels nach Kanaan gab, da brachen ihre Sehnsüchte durch. Sie wollten wieder in Jerusalem sein. In dem Augenblick gab es keine Streitigkeiten und Dissonanzen mehr. Alle hatten  nur ein Ziel: das Ziel Heimat “Jerusalem”.

 

Die Bibel sagt nicht, dass sie geträumt hätten, sondern sie waren wie Träumende. Sie waren keine Träumer, sondern die Nachricht war so gewaltig in ihren Herzen, dass sie dachten, es sei ein Traum. Ein herrlicher Traum, wieder in Jerusalem zu sein. Jene Israeliten sind uns allen ein Vorbild in ihrem Heimweh nach dem irdischen Jerusalem.

 

Geschwister, was ist es denn, wenn wir von der Sehnsucht nach dem himmlischen Jerusalem so gar nicht gezogen sind? Dann weilen wir geistlich nicht beim Herrn, dann haben wir Flusen im Kopf und im Herzen, sind nicht mit ihm genügend verbunden. Weshalb hatten jene Israeliten so großes Heimweh nach Jerusalem? Die Liebe Gottes war in Jerusalem. Dort in Jerusalem im Tempel, da gab Gott ihnen die Vergebung ihrer Sünden mittels der damaligen Tieropfer. Warum haben wir kaum Heimweh nach dem herrlichen oberen Jerusalem, obgleich wir dem Herrn dem Geiste nach dienen, wie Paulus dies in Römer 8,4b sagt? Wir alle, die wir dem Herrn gehören, wissen genau, dass uns dort im himmlischen Jerusalem die Fülle der Liebe Gottes erwartet. Dort im himmlischen Jerusalem, da ist die Liebe unseres Herrn, der uns ein ganzes irdisches Leben lang unsere Sünden vergeben hat, der uns dort als Hohepriester täglich, stündlich vertreten hat.

 

Die Antwort lautet: Uns fehlt das Verbundensein mit dem Herrn. Es fehlt, weil wir so stark, so sehr stark im Götzendienst des Eigenwillens wandeln. Hier erkennen wir die Absicht Gottes, mit Israel sein irdisches Gottesvolk wieder zu segnen und reich zu machen durch ihn. Durch ihre Sünde waren sie unter dem Fluche, und durch Sünde waren sie bettelarm geworden. Sie waren nur noch Sklaven in Babel. Auch wenn die äußere Armut Jerusalems niedergerissener Mauern keine Sehnsucht auslösten, so war es der geistliche Reichtum, der ihnen mehr als der äußere Reichtum bedeutete. Jene Israeliten wussten sich selbst im Gericht Babels von Gott geliebt. Er führt sie zurück.

 

Israel lag in der Sünde des Eigenwillens bis hin zum Götzendienst. Sie waren für Gott unbrauchbar geworden. Sie waren unbrauchbar, ohne dass sie es bis in die Tiefe merkten. Der Herr aber war es, er hatte sie durch die Prophetenworte wiederholt und immer wieder warnen lassen. Dennoch hörten sie nicht auf Gott, nicht auf Gottes Stimme. So kam das angekündigte Gericht über sie. So wurden sie geläutert in dem Schmelztiegel ihrer tiefen und bitteren Leiden in Babel. Zu ihrer Demütigung oben drauf, liess der Herr den Tempel Salomos und die Stadt Jerusalem zerstören. Die Härte der Gefangenschaft zehrte 70 Jahre an ihren Herzen, Jahrzehnt um Jahrzehnt. Diese Härte ihrer Prüfung lies sie dort in Babel auch hart gegen den Götzendienst werden. Sie wollten nichts mehr sehen und hören von den Götzen. Jetzt konnte Gott sie neu gebrauchen. Ja, Gott ist ein Wiederhersteller der Dinge, die Bibel sagt “aller Dinge”. Er konnte sie neu gebrauchen, und dafür führte der Herr sie zurück nach Jerusalem.

 

Da Israel Gott als ihren König verwarf, wir lesen das in 1.Samuel 8 Vers 5 und 18-20, an mehreren Stellen, konnte der Herr ihnen keinen anderen König mehr geben. Gott ließ nachexilisch seinem Volk den Priesterdienst erneut zu, aber auch dieser Dienst endete, als man den Sohn Gottes verwarf, vor bald 2000 Jahren. Seit dieser Zeit hat der Messias nichts mehr an ihnen, lesen wir in Daniel 9 Vers 26. Hier ist Israel gemeint. Dafür aber ist das geistliche Priestertum erstanden und ins Leben gerufen, heute wirksam. Denn wir sind, sagt Gottes Wort, ein königliches Priestertum, auch dann, wenn man es uns, dir und mir, Bruder und Schwester, nicht ansieht. Da erfüllt sich das Wort des Neuen Testaments von Kolosser 3 Vers 3, wo es heißt: “Euer Leben ist verborgen...”. Von außen sieht man uns das ewige Leben nicht an. Man sieht von außen uns nicht an, dass wir ewiges Leben haben. “Euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott”.

 

Auch unser Herr Jesus Christus war in Gefangenschaft. Er war gefangen in unserer Sünde, die er am Kreuz wegschaffen musste. Nach seiner Auferstehung führte ihn JHWH wieder zurück in seine Herrlichkeit. Der Himmel war seine Heimat auch schon vorher, und der Vater, der ihn so liebte, (Johannes 15,9) wartete auf ihn voll herzlicher Sehnsucht. Geschwister, die wir dem Herrn gehören, wir haben nur wenig Liebe zu unserem Rettergott. Trotz unserem Versagen gilt uns die ganze Fülle seiner Liebe zu uns. Sie ist nicht zu mindern. Das ist Gottes vollkommene Liebe, die dir und mir gilt. Er hat uns teuer erkauft. Wo heraus denn? Aus der Verlorenheit. Aus dem ewigen Verderben. Sind wir ihm recht dankbar? Wie so sehr muss sich der Herr doch nach seinem himmlischen Vater gesehnt haben. Er redet nicht viel davon. Aber es war in seinem Herzen. Endlich kehrte er vom Schauplatz der Sünde zurück, von dem Babel dieser Welt. Auch er stand auf Erden unter Fluch, ale er am Holz hing. Auch er ward arm; aber um unsretwillen.

 

Jetzt kommen wir zu uns. Aber auch wir sind noch Gefangene der Sünde, soweit es unseren Leib betrifft. Darum wird seine Wiederkunft die Erlösung des Leibes aller Erretteten zum Inhalt haben, wie wir das in Römer 8 Vers 23 von der Leibeserlösung lesen. Wie so sehr wir uns nach einem sündlosen geistlichen Leib sehnen, erkennen wir daran und erkennt auch der Herr daran, wie sehr wir um seine Wiederkunft bitten. Das ist der Maß­stab. Überall dort, wo der Geist des Herrn ist, ist Freiheit (2.Korinther 3,17), die wir nach dem Geiste wandeln. Aus dem Wandel im Geiste folgt Sehsucht mit dem Haupte, Christus, vereint zu sein, weil er uns so lieb hat und zwar jeden einzelnen gleich, nicht den anderen mehr, weil er mehr Sünden hat. Nein. Er hat uns alle mit einem Preis erkauft, dadurch ist seine Liebe gleich gegen jeden einzelnen. Was werden wir für Augen machen, wenn wir den Glanz und die Herrlichkeit des Himmels einmal schauen dürfen – und weit ist es nicht mehr entfernt. Von der Existenz einer solchen Himmelswelt hatten wir mit der Bibel in der Hand auf dieser Erde keine blasse Ahnung. Paulus redet davon und sagt: “Was kein Auge gesehen, was kein Ohr gehört, was in keines Menschenherz gekommen ist, was der Herr denen bereitet, die ihn lieben”. Das sind jene, die ihr Leben Christus übergeben und ihm nachfolgen.

 

Geschwister, es lohnt sich, mit Jesus zu gehen, der endlosen Ewigkeit wegen. Denn bereits steht er vor der Tür. Schon ruft er uns in Offenbarung 22 Vers 12 zu: “Siehe, ich komme bald, und mein Lohn mit mir”, damit wir aus der Gefangenschaft der Sünde und aus der Gefangenschaft der Welt zurückgeführt werden in seine Herrlichkeit. Dann werden wir sein wie Träumende.

 

Amen.

 

Weiter

 

Eine weitere Auslegung von Werner Bergmann ist nun online verfügbar.

Hier ist der Link zum ersten Kapitel des Kolosserbriefes:

 

http://frankfurttourist.info/audio-IV